Journal
Mai 8, 2025
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Wenn Demokratien schwächeln: Wichtige Erkenntnisse aus Zentral- und Osteuropa
Die Präsidentschaftswahlen in Rumänien wecken erneute Befürchtungen, dass eine weitere europäische Demokratie in Richtung Autoritarismus abdriftet. George Simion, Vorsitzender der ultranationalistischen rechtsextremen Partei, liegt laut Prognosen mit 40,5 % der Stimmen deutlich in Führung. Ein einst scheinbar relativ stabiles demokratisches System erscheint nun beunruhigend fragil – untergraben von einer Allianz, die während der Pandemie als Impfgegnerbewegung begann.
Bei einer Veranstaltung in der ERSTE Stiftung am 29. April diskutierten drei Vordenkerinnen aus Zentral- und Osteuropa über diesen besorgniserregenden Trend und tauschten Erfahrungen aus ihren jeweiligen Ländern aus. Oana Popescu-Zamfir, Direktorin des GlobalFocus Center in Bukarest, warnte eindringlich: Der Niedergang der Demokratie kann schnell und oft unbemerkt vonstattengehen. Sie beschrieb, wie das Vertrauen der Bevölkerung und die Widerstandsfähigkeit der Institutionen mit erstaunlicher Geschwindigkeit erschüttert werden können, was auch die Wahlergebnisse in Rumänien gezeigt haben.
Ihre These trifft den Kern der Frage, warum Populismus Fuß fassen kann: nicht nur wegen charismatischer Führer oder polarisierender Narrative, sondern weil die Menschen zunehmend das Gefühl haben, dass ihre Stimme nicht mehr zählt. In einem solchen Klima bleiben die hohlen Formen der Demokratie bestehen – Wahlen, Parteien, Parlamente –, aber die Substanz zerfällt allzu leicht. Wie Popescu-Zamfir betonte, geht es in der Demokratie nicht nur um die Fähigkeit zu wählen, sondern auch um die Fähigkeit, informierte Entscheidungen zu treffen. Ohne Vertrauen, Transparenz und Zugang zu verlässlichen Informationen geht diese Kompetenz verloren.
Ungarn und Polen bieten gleichermaßen warnende Beispiele. In Ungarn beschrieb Zsuzsanna Szelényi von der CEU Democracy Institute Leadership Academy, wie die Regierung von Viktor Orbán nach 15 Jahren an der Macht Anzeichen einer weiteren Radikalisierung zeigt. Wirtschaftliche Stagnation, internationale Neuausrichtung und das Aufkommen glaubwürdiger politischer Herausforderer tragen alle zu einer Verhärtung illiberaler Strategien bei.
In Polen hingegen stellte Karolina Wigura von Kultura Liberalna fest, dass sich der jüngste liberale Wandel des Landes als vorübergehend, als bloßes liberales Intermezzo erweisen könnte. Das Veto des Präsidenten blockiert Regierungsreformen und die Wahlresultate müssen möglicherweise von unrechtmäßig ernannten Richtern bestätigt werden. Daher werden die bevorstehenden Wahlen darüber entscheiden, ob die demokratische Erneuerung Polens real ist oder nur von kurzer Dauer. Die tiefere Frage sei nicht die Rückkehr zu einem pre-populistischen Status quo, sondern der Wiederaufbau einer stärkeren und widerstandsfähigeren Gesellschaft.
Was bleibt von der Diskussion ist aber nicht Verzweiflung, sondern Entschlossenheit und eine wachsenden Klarheit darüber, was zur Verteidigung und Wiederbelebung der Demokratie erforderlich ist. Bürgerliches Engagement, sowohl online als auch vor Ort, bleibt unverzichtbar. Ebenso wichtig ist strategische Kommunikation, insbesondere angesichts von Desinformation und Ermüdungserscheinungen. Es gilt, entschlossen zu bleiben – sowohl innerhalb des Landes als auch in den Ämtern, um mehr Einfluss nehmen zu können.
Aber vielleicht am wichtigsten ist es, das Vertrauen zwischen den Generationen und Institutionen wieder aufzubauen. Es geht nicht nur um lokale, innerstaatliche Probleme, sondern um gemeinsame demokratische Herausforderungen. Und wie alle Rednerinnen betonten, erfordern diese Wachsamkeit, Kreativität und kollektiven Mut.
Demokratie verschwindet selten in einem dramatischen Moment. Sie zerfällt, verblasst und fragmentiert sich, wenn wir nicht handeln.
Die Veranstaltung war Teil einer Reihe von Diskussionen, die im Anschluss an die Veröffentlichung des Buches »Lehren aus Europa« stattfinden. Ziel ist es, das gegenseitige Verständnis zwischen Ost- und Westeuropa zu fördern. Melden Sie sich für unseren Newsletter an, um über zukünftige Veranstaltungen dieser Reihe auf dem Laufenden zu bleiben.
Titelbild: ERSTE Stiftung/Valerie Maltseva