Time to Decide Europe Summit 2025

Es ist an der Zeit, dass europäische Führungskräfte mutige Entscheidungen angesichts tiefgreifender globaler Veränderungen treffen. Dies war die klare Botschaft des «Time to Decide Europe Summit 2025», der am 2. Dezember 2025 im Erste Campus stattfand. Und wie könnte man Politiker besser dabei unterstützen, diese konzeptionellen Sprünge zu wagen, als sie mit einigen der bedeutendsten wirtschaftlichen und politischen Denker unserer Zeit zusammenzubringen?

Normalerweise selbst im Rampenlicht, moderierten die ehemalige stellvertretende Premierministerin Kroatiens Martina Dalić, der Bürgermeister von Warschau Rafał Trzaskowski und der Premierminister Albaniens Edi Rama drei Diskussionen zu europäischer Wettbewerbsfähigkeit, transatlantischer Partnerschaft und den Herausforderungen kleiner Staaten. Judy Dempsey, Senior Fellow bei Carnegie Europe und Europe’s Futures Fellow, leitete die Tagesveranstaltung und moderierte die abschließende Sitzung.

Die österreichische Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten, Beate Meinl-Reisinger, identifizierte Deregulierung, Einheit und Verteidigung als zentrale Themen für die Zukunft der EU in ihrer Eröffnungsrede. «Unsere Rivalen werden nicht stillstehen», sagte Ministerin Meinl-Reisinger. «Wenn Europa ein globaler Akteur bleiben und nicht zum Museum werden will», fuhr sie fort, «brauchen wir Geschlossenheit, Geschwindigkeit und Stärke».

Kapital und globalen Einfluss schaffen 

Die Podiumsteilnehmer stimmten den Forderungen von Andreas Treichl, Vorsitzender des Aufsichtsrats der ERSTE Stiftung, nach Fortschritten im EU-Projekt zu – insbesondere in den Bereichen eines europäischen Kapitalmarkts, transparenter Wettbewerb und Deregulierung. Viele äußerten ihre Enttäuschung über das im Juli dieses Jahres ausgehandelte EU-US-Handelsabkommen. Im ersten Panel bezeichnete der Ökonom und ehemalige stellvertretende Premierminister Bulgariens Atanas Pekanov das Abkommen als «peinlich für Europa». Karel Lannoo, CEO des Centre for European Policy Studies, wünscht sich «ein selbstbewusstes und wettbewerbsfähiges Europa». Und Tomáš Sedláček, Direktor der Václav-Havel-Bibliothek, forderte Narrative, an die wir glauben können und die einen solchen Wandel inspirieren. Rosa Balfour, Direktorin von Carnegie Europe, sieht ebenfalls die negativen Folgen des «kleinen Gartens» als problematisch(?) und fordert, die Wahrnehmung des europäischen Geschäftspotenzials anderswo zu adressieren. 

«Es geht um die Größe», sagte James C. O’Brien, ehemaliger US Assistant Secretary of State für europäische und eurasische Angelegenheiten. Marie-Helene Ametsreiter, General Partner bei Speedinvest, riet dazu, Pensionsfonds zur Kapitalbeschaffung zu nutzen. «Es dauert nur eine Stunde, um in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Unternehmen zu gründen», sagte Ebtesam Al-Ketbi, Präsidentin des Emirates Policy Center, und verdeutlichte damit die Beharrlichkeit der europäischen Bürokratie. 

Transatlantische Verschiebungen in Identität und Verteidigung 

Die zweite Sitzung ging der Frage nach, ob die Regierung Trump ein Symptom oder die Ursache der republikanischen Abschottung ist, die Europa negativ beeinflusst. Nathalie Tocci, Direktorin des Istituto Affari Internazionali, die die Wiederbelebung des US-Konservativen Nationalismus als «strukturell, nicht vorübergehend» betrachtet, stellte die Frage, ob Europa einem «amerikanischen Verrat» gegenübersteht – in seiner «imperialen Kollision mit Russland und möglicherweise auch China». Francis Fukuyama, Senior Fellow an der Stanford University, forderte europäische Führungskräfte auf, die Gelegenheit zu nutzen, um Trump die Stirn zu bieten, wie es viele Republikaner inzwischen in den Vereinten Staaten tun. Aus seiner Sicht haben «wir nun den Höhepunkt von Trump erreicht» und er nannte Trump einen «lame duck president».

Als Gladden Pappin, Präsident des Hungarian Institute of International Affairs, erklärte, Trump schließe «zivilisatorische Verbündete» nicht aus, fragte IWM Permanent Fellow Ivan Krastev provokativ: «Welche Zivilisation?» und schlug vor, dass Europa eine Lebensqualität biete, die toxische Positivität herausfordert. Veronica Anghel vom European University Institute entgegnete ebenfalls, dass «Nationalkonservatismus nicht die Lösung, sondern Teil des Problems ist». Lea Ypi, Professorin für politische Theorie an der London School of Economics and Political Science, erinnerte derweil daran, dass auch Europa einen Anteil an hegemonialen Führern hat, wie Italiens Premierministerin Giorgia Meloni.

Die Diskussion über die europäische Wiederaufrüstung führte zu unterschiedlichen Meinungen. Während Fukuyama glaubt, dass «Europa ernster genommen wird, wenn es militärisch stärker ist», ist hingegen Ypi der Ansicht, dass «eine echte EU-Armee, bei der die Staaten zusammenarbeiten, die Militärausgaben senken und mehr Geld für Bildung und Infrastruktur freimachen würde» zielführender wäre – ein potenzieller Rat unter anderem für den ehemaligen österreichischen Außenminister Alexander Schallenberg, der später warnte, dass «Neutralität keine Sicherheit garantiert». 

Allianzen, Resilienz und Führung 

In einer lebhaften Diskussion über die Rolle kleinerer Länder bei der Erreichung europäischer Einheit befasste sich das Podium mit Fragen der Repräsentation und Rechenschaftspflicht. «Wenn multilaterale Normen zerfallen», sagte Nathalie Tocci, «werden wir alle schlecht abschneiden». Der ehemalige stellvertretende Premierminister Nordmazedoniens Nikola Dimitrov sah eine Gegenmaßnahme darin, dass kleinere Länder mehr Verantwortung übernehmen und die Bedeutung guter Führungspersönlichkeiten erkennen. Soli Özel, Professor für Internationale Beziehungen und Politikwissenschaft an der Kadir-Has-Universität, hielt fest, dass einige Länder «ihre Verwundbarkeit besser managen als andere» und  Netzwerke seien wohl die Lösung für diese Prekarität. 

Misha Glenny, Rektor des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen, fasste abschliessend zusammen: «In Europa sollten die Alarmglocken läuten» und «um der unglaublichen Komplexität der bevorstehenden Herausforderungen zu begegnen, muss Europa zusammenarbeiten».