Drei Fragen an Urška Jurman

Urška Jurman ist Kunsthistorikerin und Soziologin mit Schwerpunkt Kultur. Sie ist als Kuratorin, Redakteurin, Kunstautorin und Programmmanagerin im Bereich der zeitgenössischen Kunst tätig. Seit 2013 arbeitet sie als Programmmanagerin bei der Igor Zabel Association for Culture and Theory in Ljubljana.

ERSTE Foundation Wie würden Sie die Bandbreite und den Einfluss von Igor Zabels Beiträgen im Bereich der Kunst und Kultur beschreiben und was zeichnete Ihrer Meinung nach seine Arbeit besonders aus?

Urška Jurman Igor Zabel (1958–2005) war in zahlreichen Kulturbereichen tätig – als Kunsthistoriker, Kurator, Kritiker, Herausgeber, Autor, Übersetzer und Mentor. Wenn es etwas gibt, das seine mannigfaltigen Aktivitäten auszeichnet, dann ist es seine kritische Auseinandersetzung mit kanonischen und hegemonialen Narrativen und Machtverhältnissen. Als Kunsthistoriker und Kurator am Museum für Moderne Kunst in Ljubljana leistete er einen maßgeblichen Beitrag zu einer angemesseneren historischen Einordnung der Avantgarde und zeitgenössischen Kunst, die damals in Slowenien noch am Rande des kunsthistorischen Kanons standen. In seinen Werken sprach er sich zudem dafür aus, dass Kunst nur im politischen und gesellschaftlichen Zusammenhang verstanden werden kann, während er zugleich die Fähigkeit der Kunst hervorhob, die sie bestimmenden Strukturen zu hinterfragen und aufzubrechen. Dies zeigt sich auch in seinem international vielleicht bekanntesten Werk – seinen Reflektionen über die sich wandelnde Geopolitik Europas nach dem Fall der Berliner Mauer und deren Auswirkungen auf die Kunstwelt.

EF Wie hat Igor Zabels Vermächtnis Ihrer Meinung nach den Diskurs über zeitgenössische Kunst in (Ost-)Europa geprägt, insbesondere im Hinblick auf die kuratorische Ethik?

UJ In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren beschäftigte sich Zabel intensiv mit der sich wandelnden Rolle von Kurator:innen und Kunstinstitutionen. Diese Überlegungen standen im Mittelpunkt einer seiner persönlichsten und bedeutendsten Ausstellungen: »Inexplicable Presence: Curator’s Working Place« (1997). In diesem intimen Projekt hob er die Bedeutung des Dialogs als Teil der Rolle des Kurators/der Kuratorin hervor. In seinen Schriften zu diesem Thema plädierte er ebenso für die Notwendigkeit, die (eigene) Machtposition kritisch zu reflektieren und zu dekonstruieren. Ich vermute, dass auch die zunehmende Tendenz, Kurator:innen als medienwirksame Kultfiguren zu stilisieren, Zabel in seinem kritischen Blick auf die Rolle des Kurators/der Kuratorin bestärkte – ein Trend, der ihm fremd blieb und den er für entbehrlich hielt.

EF Wie haben seine Ideen und kuratorischen Methoden die Schaffung des Igor Zabel Award for Culture and Theory inspiriert?

UJ Der Igor Zabel Award for Culture and Theory knüpft an das Vermächtnis von Igor Zabel an, der einen bedeutenden Teil seiner Arbeit der Vertiefung und Differenzierung des Verständnisses für Kunst aus Mittel- und Osteuropa gewidmet hat. Zabel war sowohl in seinen Texten als auch seinen Ausstellungen fest im Lokalen verwurzelt, dennoch fand seine Arbeit international Beachtung, galt als selbstkritisch und reflektiert. Der Igor-Zabel-Preis ist von diesem Vermächtnis ebenso inspiriert wie von Zabels ganz eigener – unterstützender, einfühlsamer und kooperativer – Arbeitsweise im Bereich Kunst und Kultur. Ich glaube, dass all diese Prinzipien und Werte nicht nur Bestand haben, sondern heute sogar an Bedeutung gewinnen.

Titelbild: Nada Žgank