Sichtbarkeit für die richtigen Themen

Respektvolle Berichterstattung über Armut

Medien befinden sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation – und in der Debatte geht es oft um Digitalisierung, Plattformen und Werbegelder, um den Algorithmus oder die Nutzer:innen. Viel zu selten geht es um die Inhalte von Berichterstattung: Welche Themen bekommen Aufmerksamkeit und welche nicht? Welche Menschen werden fast nie porträtiert? Um den Blick auf übersehene Menschen und Themen zu lenken, gibt es seit 2010 den Journalismuspreis »von unten«.

Der Journalismuspreis »von unten« ist eine herausragende Initiative der Armutskonferenz, weil er auszeichnet, was heute leider keine Selbstverständlichkeit ist, erzählt Maribel Königer, Director Media and Journalism der ERSTE Stiftung: »Respektvolle Berichterstattung über Armut bedeutet, den Blick bewusst dorthin zu richten, wo die Gesellschaft sonst wegschaut. Sie macht sichtbar, was nicht in die Logik von schöner, schneller, reicher passt, und erinnert uns daran, dass Journalismus mehr sein muss als ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit.«

Die Jury besteht aus Menschen, die selbst von Armut betroffen waren oder sind. 2025 ging der Preis in den Kategorien Print, Online, Radio und TV unter anderem an:

Kategorie Radio

  • Veronika Mauler für ihr Ö1 Journal Panorama »Alt, arm, weiblich – wenn die Pension nicht reicht« – die Jury würdigte, dass im Beitrag Betroffene ausführlich zu Wort kommen, Ursachen wissenschaftlich hinterfragt und Lösungsansätze diskutiert werden.


Kategorie Print 

  • Thomas Winkelmüller & Maya Luna Mendivil Jahnke (Text) und Ursula Röck (Fotos) für ihren Artikel im Datum-Monatsmagazin »Die Pflegekinder«. Der Jury fiel positiv auf, dass der Beitrag das wenig bekannte Problem pflegender Kinder sehr eindrücklich beschreibt und durch die lebendigen Fotos zusätzlich unterstreicht.


Kategorie Online 

  • 1. Platz an Beatrix Kouba für ihre Reportage »Zwischen den Räumen: queere Menschen in der Obdachlosigkeit« veröffentlicht auf zimtmagazin.at. Aus der Begründung der Jury: »Die Autorin schreibt in ihrer Reportage über eine Facette von Obdachlosigkeit, die sonst in der Öffentlichkeit totgeschwiegen wird – wie es queeren Menschen auf der Straße geht. So gelingt es ihr, ein Thema, das oft in ein falsches Licht gerückt wird, sensibel darzustellen.«

Kategorie Fernsehen 

  • 1. Platz an Tiba Marchetti für ihren Beitrag »Drogen am Land« (ORF Am Schauplatz). Die Jury würdigte den aufwändig recherchierten, umfangreich gestalteten Beitrag und dass Betroffenen viel Raum gegeben wird, ihre Erfahrungen zu teilen.

Alle Preisträger:innen 2025: https://www.armutskonferenz.at/news/news-2025/journalismuspreis-von-unten-2025-vergeben.html

Die Jury-Begründungen zeigen, dass nur Menschen, die selbst Armut erfahren haben, darüber entscheiden sollten, welche Beiträge wirklich respektvoll sind. Denn der Preis ist mehr als eine Auszeichnung – er ist ein Statement: Gute Berichterstattung braucht Empathie, analytische Tiefe und den Mut, unbequeme Tatsachen ins Licht zu rücken. »Wenn wir mehr solcher Geschichten hätten, wäre nicht nur den Betroffenen geholfen, sondern auch den Medien, die ihre Relevanz neu beweisen müssen,« sagt Maribel Königer. Und dass die Berichterstattung so auch die gesellschaftliche und politische Dimension abdeckt, wie von einem der Jury-Mitglieder im Leitfaden für respektvolle Armutsberichterstattung formuliert: »Ich wünsche mir einen mutigen Journalismus, also einen, der nicht nur auf Einzelfall-Schicksale abzielt. Sondern das Thema Armut begreift in seiner politischen Größe.«

»S úctou k ludom« = »Mit Respekt gegenüber Menschen«

Mittlerweile gibt es Preise für respektvolle Armutsberichterstattung in vielen europäischen Ländern von Polen bis Portugal. Die ERSTE Stiftung unterstützt nicht nur den Journalismuspreis »von unten« in Österreich, sondern auch weitere Preise in Kroatien, Nordmazedonien, Serbien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn. Die Slowakische Anti-Armuts-Netzwerk (SAPN) verlieh im Oktober 2025 in Bratislava zum zweiten Mal den Preis »Mit Respekt für Menschen« für journalistische Beiträge, die sich achtsam und respektvoll mit dem Thema Armut befassen. Der Preis steht unter der Schirmherrschaft des slowakischen Ombudsmanns für Menschenrechte, JUDr. Róbert Dobrovodský.

Kategorie: Printjournalismus

  • 1. Platz:
    Anna Jacková für den Artikel »Zmenili mi život bez môjho vedomia« im Magazin Kapitál – eine eindrucksvolle Reportage über unfreiwillige Sterilisationen, die wichtige Fragen zu Menschenrechten und Würde aufwirft.

Kategorie: Audiovisuelle Journalistik – Audio (Podcasts & Radio)

  • 1. Platz:
    Barbora Mareková für die Episode »V dvanástich sa dostal do detského domova. Ako sa majú deti odkázané na štát?« aus dem Podcast Ľudskosť (SME) – ein bewegender Beitrag über Kinder in staatlicher Obhut und die Bedeutung sozialer Bindungen.

Kategorie: Audiovisuelle Journalistik – Video (TV)

  • 1. Platz:
    Tomáš Gerši für die Reportage »Hranice dôstojnosti« (STVR/Občan za dverami) – über Pflegekräfte und Menschen, die durch Hilfe in Konflikt mit dem System geraten. Ein sensibler Blick auf Solidarität und gesellschaftliche Mechanismen.

Fotocredit: Svenja Knisel / Die Armutskonferenz